Monate: September 2012

PROMETHEUS

Prometheus

für Enthusiasten experimentellen Musiktheaters auf dafür außergewöhnlichem Schauplatz

Allen diesen Enthusiasten

legt zu Füßen, spielt in die Ohren, lässt den Körper erzittern, verwirrt die Gedanken … :

Die Inszenierung im Rahmen der Ruhrtriennale

durch Lemi Ponifasio

(aus Samoa gebürtiger Regisseur und Choreograf – gilt als geistige, spirituelle und führende Persönlichkeit des Inselstaates, Ritual und Zeremonie sind zentrale Bezugspunkte für seine Arbeiten … Zitat aus dem Programmheft, S. 52)

erlegt dem Zuhörer/Zuseher ~ anders als Prometheus, der in aktives Leid transformiert ~ auf, sich ganz dem Geschehen hinzugeben, ohne ihm sprachlich wörtlich (es gilt Alt-Griechisch) folgen zu können.

Der Komponist

Carl Orff, (1895-1982)

einer der herausragenden Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts,

einzigartig auf dem von ihm beschrittenen Gebiet der Zusammenführung von Sprache, Bewegung, Klang und Rhythmus in einem nichtsymphonischen, unpsychologischen Musiktheater,

lässt sich nicht auf die zu Weltruhm gelangte Carmina Burana reduzieren,

wie auch die kühnste von Orffs dritter griechischer Tragödien „Prometheus“ zeigt.

Orff, weitgehend ignoriert von den Anhängern einer neuen Musik, da in deren Augen „hoffnungslos aus der Zeit gefallen“, hat sich dennoch auch in die lange Ahnenreihe derer eingefügt, die durch einen Rekurs auf die Antike die Opernbühne von den Konventionen ihrer Zeit zu reinigen versuchten. Orff selbst wollte nie modern sein, hatte jedoch ein Gespür für das Kommende. Vielleicht war er, der vermeintlich Rückständige, doch der wahre Vorausdenkende. (Zitat Programmheft, Seite 19).

Die Handlung entnommen Wikipedia

Inhalt

Der wegen des angeblichen Feuerraubs auf immer in skythische Eisenketten gelegte Titan Prometheus will dem olympischen Herrscher Zeus ein geheimes Wissen nicht verraten, das zu besitzen er behauptet. Nachdem Hermes schließlich den Prometheus ein letztes Mal aufgefordert hat, endlich den Namen der Hetäre zu nennen, welche Zeus und seine Gefolgsleute die ewige Herrschaft kosten würde, und Prometheus sich weigert, wird er unter Blitz und Donnerschlägen durch ein Erdbeben ins Schattenreich des Hades gesandt.

Handelnde Personen

Kratos & Bia, Hephaistos, Prometheus, Okeaniden, Okeanos, Io, Hermes.

Kratos (griech. „Macht“) und Bia (griech. „Gewalt“), die Knechte des Zeus, schleppen Prometheus in den Kaukasus, wo sie auf Zeus‘ Befehl hin den widerstrebenden Hephaistos (Ich aber bin voller Zagen, den verwandten Gott gewaltsam anzuketten diesem Winterfels) zwingen, Prometheus an einen Felsen nahe dem Kaukasus zu ketten. Hephaistos hat zwar Mitleid mit Prometheus jedoch auch Angst vor Zeus und fügt sich. „Bia (die Gewalt) schweigt, nur Kratos (die Macht) redet.“

Chor

Nachdem Hephaistos, Kratos und Bia abgegangen sind, erscheint der Chor aus den Töchtern des Okeanos, der ihm Freundschaft versichert und sich nach dem Grund dieser Strafe erkundigt, wobei die Chorführerin größtenteils den Dialog führt. Prometheus berichtet von dem Kampf gegen Kronos, wobei er Zeus half durch List und Klugheit dessen Vater zu stürzen. Zeus teilte sodann die Ämter aus, gedachte des Menschen jedoch nicht, so dass einzig Prometheus ihnen beisteht, ihnen das Feuer, Hoffnung und die Kunst der Weissagung verschafft. Der Chor mahnt ihn ob seiner Kühnheit, worauf Prometheus erklärt, dass er es im Wissen seiner Fesselung um des Menschen willen getan habe.

Okeanos

Der Chor fliegt davon, woraufhin Okeanos auf seinem Greif geritten kommt. Er bezeichnet sich als größten Freund des Prometheus und behauptet, er sei so schnell wie möglich hergeeilt. Doch Prometheus fragt ihn, ob er sich auch an seinem Leid ergötzen wolle und empört sich erneut über Zeus. Okeanos mahnt ihn ebenfalls wegen der mangelnden Unterwürfigkeit gegenüber dem neuen Herrscher. Prometheus solle sich unterwerfen und um Gnade bitten, so dass er erlöst werde. Doch dieser reagiert mit Ironie auf diesen Rat des Okeanos, der nicht mit ihm die Menschen unterstützt hatte (Mit Neid gewahr ich, dass du frei von Vorwurf bist, der kühnlich doch an allem mit mir teilgehabt.). Okeanos bietet an, bei Zeus guten Einspruch einzulegen, doch Prometheus rät ihm davon ab, verweist auf seinen Bruder Atlas und Typhon, wie es ihnen ergangen sei, und dass es Okeanos nicht genauso ergehen solle. Okeanos lässt sich überreden und fliegt davon.

Chorführerin

Der Chor kehrt zurück und beklagt Prometheus‘ trauriges Schicksal. Daraufhin erzählt Prometheus, welches Wissen er den Menschen brachte, unter anderem die Heilkunde, Seefahrt, Meteorologie, Weissagung. Auch prophezeit er, dass Zeus einst abdanken und Prometheus erlöst werde. (So ist vor ihnen also Zeus der Schwächere? – Dem, was bestimmt ist, wird er keinesfalls entgehn.) Nur, so sagt er, dürfe er nicht die Zukunft Zeus‘ berichten, so dass seine Prophezeiung in Erfüllung gehe. Der Chor singt vom Leiden Prometheus‘ und der nicht kommenden Hilfe der unterstützten Menschen.

Io

Die gehörnte Io kommt hinzu. Prometheus verkündet ihr das Ende Zeus‘ durch einen Sohn der Hera. Als Io erfährt, dass Prometheus die Weissagekunst beherrscht, möchte sie ihr eigenes Schicksal erfahren. Doch vorher berichtet sie, wie sie von der Liebe des Zeus träumte. Deshalb erhielt Inachos, der Vater der Io, das Orakel seine Tochter des Landes zu verweisen. Um die Liebe zu Io zu verschleiern, verwandelte er sie in eine Kuh. Doch Hera blieb dies nicht verborgen, schickte Argos als Wächter und ließ die Kuh von einer Bremse jagen. Nun verkündet Prometheus den weiteren Weg der Io, dass sie den Bosporus (der nach ihr erst so benannt werden wird) überquert und schließlich über Äthiopien flussabwärts ins Nildelta nach Kanopus gelangen werde, um dort den Epaphos zu gebären. Und dass ein Nachkomme der Io in 13. Generation, ein Held des Bogens (gemeint ist Herakles) Prometheus retten werde. Da Io die Stiche der Bremse nicht weiter ertragen kann, macht sie sich fort.

Hermes

Prometheus offenbart den Okeaniden, dass Zeus durch den Fluch des Kronos sein Ende finden werde. Hermes kommt hinzu und fordert, dass Prometheus dem Zeus eröffnet, wer ihn stürzen wird. Er droht mit Blitz und Sturm, die ihm arg zusetzen würden und dass ein Adler kommen werde, um seine Leber zu fressen. Da Prometheus sich weigert dieses Wissen preiszugeben, ereilt ihn diese Strafe.

Die Handlung ins Deutsche übersetzt von Heiner Müller

(nach einer Interlinearversion von Peter Witzmann), kompletter Text im Programmheft

Die Musik

erschafft Orff mit einer ganz eigenen, allein vom musikalisch-gestischem Sprachduktus bestimmter Interpretation.

Die Vereinbarkeit von Musikalisierung und Altgriechischem (Originaltext von Aischylos) entsteht in einer Art stilisierter „Parasprache“, ohne rational-logische Sinnvermittlung, aber geladen mit großen, mythos-eigenen Uraffekten (Zitat http://www.orff.de/werk/theatrum-mundi/prometheus.html )

(Uraufführung 24. März 1968 in Stuttgart)

Was dem Zuhörer in die Ohren gespielt wird umfasst ungeahnte Höhen und Tiefen, Lautstärken, Stille, eindringliche affektive, gesteigerte Sprechweisen in hochstilisierter Dialog- und Monologform, erzeugt von einem

Orchester mit 9 Kontrabässen, 4 Klavieren, 4 Harven, 2 Orgeln und 6fachen Bläsern, ein gewaltiges Schlagzeug-Arsenal, angereichert mit Perkussionsinstrumenten aus Afrika, Japan, Indien, Indonesien, dem arabischen Raum und Amerika. Erzeugt von

Sängerinnen und Sängern, die im Sprechduktus „cattivo“ (böse), „neuseato“ (angeekelt), „sinistro“ (düster), „cantando“ (singend), „libero“ (frei) agieren und emotionale Färbung vom stilisierten Schrei bis zum verzweifelten Stammeln erzeugen.

Handelnde

Prometheus und mit ihm in Dialog tretende männliche Figuren: Kratos, Bia, Hephaistos, Okreanos, Hermes

Okeaniden, Chor

Prometheus und Io (die in eine Kuh verwandelte Geliebte des Zeus) ~ zwei Unglückliche, deren Denken und fühlen unterschiedlicher nicht sein könnten, stehen sich gegenüber Rebellion stößt auf Schicksalsergebenheit. Die beiden eint die Tatsache, dem Unglück nicht entrinnen zu können. Ios expressiver Gesangspart reicht vom erregten Ausbruch bis zum Flüstern und einem Umfang von über zwei Oktaven.

gehört / gesehen

am 23. September 2012 um 20 Uhr in Duisburg, Landschaftspark Nord, Kraftzentrale, Gebläsehalle

http://www.ruhrtriennale.de/de/programm/produktionen/orff-ponifasio-prometheus/

http://www.orff.de/werk/theatrum-mundi/prometheus.html »Ist es doch die griechische Sprache, die wie keine andere Musik und Geste in sich vereint.«

Fazit

tief beeindruckt, überwältigt von der Leistung all derer, die diesen Abend unvergessen machen, hier besonders noch zu erwähnen die Sängerinnen des Chores sowie die Tänzerinnen und Tänzer

Musikalische Leitung — Peter Rundel

Regie, Bühne, Kostüm — Lemi Ponifasio

Licht — Helen Todd / MAU

Klangregie — Norbert Ommer

Video — Sam Hamilton

Dramaturgie — Stephan Buchberger

Prometheus — Wolfgang Newerla

Kratos — Tomas Möwes

Hephaistos — Eric Houzelot

Okeanos — Dale Duesing

Io Inachis — Brigitte Pinter

Hermes — David Bennent

Solotänzerin — Kasina Campbell / MAU

Solotänzer — Ioanne Papalii / MAU

Tänzer MAU Company — Kelemete Fu’a, Helmi Prasetyo, Teataki Tamango, Ofati Tangaroa, Arikitau Tentau, Maeeke Teteka

Chorus Oceanidum — ChorWerk Ruhr

Chorifea 1 — Olga Vilenskaia

Chorifea 2 — Hasti Molavian

Chorifea 3 — Johanna Krödel

Einstudierung Chor — Florian Helgath

Orchester — Ensemble musikFabrik, SPLASH, Orchesterzentrum | NRW, und Statisterie der Ruhrtriennale

weitere Aufführungen:

25. und 27. September jeweils 20.00 Uhr

Dauer — 2 h 30 min (keine Pause)

Intros — 25., 27. September: 19.15 in der Gebläsehalle

Gebläsehalle, Duisburg

Emscherstraße 71

Landschaftspark Duisburg-Nord

47137 Duisburg-Meiderich

Achtung: damit der Weg zum Geschehen nicht zur Irrfahrt wird, hier die Anreisebeschreibung http://www.ruhrtriennale.de/de/programm/spielstaetten/geblaesehalle/anfahrt/

Prometheus-Audio auf Youtube

aus dem Leben von Dirk Bach http://de.wikipedia.org/wiki/Dirk_Bach: Seine erste Rolle spielte er in einer Inszenierung von Heiner Müllers „Prometheus“, an die er sich später so erinnern sollte:

„Plötzlich saß ich da; in eine Zwangsjacke gepfercht, mit einem zerstückelten Gummi-Geschlechtsteil, einen Eselskopf übergestülpt – zwei Meter hoch auf einem Stahlstuhl. Definitiv ein erhabener Moment.“ … aus dem Nachruf auf Dirk Bach „Und dann kam der Tod“ auf Spiegel online http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/nachruf-auf-dirk-bach-und-dann-kommt-der-tod-a-859054.html