Abschied und Vermächtnis, Allgemein, Gesellschaftskritik, History, Kunst und Kultur, Musik, Vernichtung

verstummt – in Erinnerung gebracht

Bayreuth, mit seinen Festspielen, ist seit 2012 auch Mahnmal-Ort der VERSTUMMTEN STIMMEN. Das Eintauchen und Erleben in die Opernwelt Wagners an dem Platz, den Wagner dafür gewählt hat, ist in dieser Spielzeit für mich und viele der Besucher gleichzeitig Innehalten und Gedenken.

Die Eindrücke ließen mich nicht los und ungeahnt folgen meiner Recherche zu dieser so dunklen, düsteren Zeit des Herrschens der Nationalsozialisten, unzählige Zeit-Dokumente, voll unsagbarem Leid.

Ich zeige einen Teil hier, im Bewusstsein einer großen Unvollständigkeit.

1.1

Die jüdischen Kinder im KZ Theresienstadt

1.2

Brundibár, Kinderoper des Komponisten Hans Krása – Geschichte der Entstehung und Wiederentdeckung

1.3

Die Kinderoper Brundibár heute – mit dem Blick zurück nach Theresienstadt, Überlebende

2.

„Die Mädchen von Theresienstadt“, Jugendoper von David Paul Graham, Uraufführung in Bonn 2010

3.1

Verstummte Stimmen, Entstehung des Gedenkens

3.2

Verstummte Stimmen, Wanderausstellung Hamburg – Berlin  – Stuttgart – Darmstadt – Dresden – Bayreuth

3.3

Verstummte Stimmen in Ton, Bild, Wort und Namen

4.

Chöre in Zeiten des Nationalsozialismus

1.1

Die jüdischen Kinder im KZ Theresienstadt

Von den jüdischen Kindern im KZ Theresienstadt, die in der Kinderoper Brundibár mitgesungen haben, haben nur zehn überlebt.

Der NS-Propagandafilm mit dem Schlusschor der Kinderoper Brundibár, sollte als Beweis eines blühenden Kulturlebens in der angeblichen jüdischen Mustersiedlung sein. Damit wurden zum Beispiel internationale Gesandte des Roten Kreuzes getäuscht. Brundibár ist auch in dem von Goebbels initiierten Propagandafilm „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ eingespielt.

KZ Theresienstadt, Wikipedia

… Zur Vorbereitung eines „Besuchs“ einer Kommission des Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) begann die SS im Dezember 1943 mit einer großangelegten „Stadtverschönerungsaktion“. Eine IKRK-Kommission besichtigte Theresienstadt am 23. Juni 1944. Die Kommission inspizierte unter anderem die im Vorfeld eröffneten Cafés, den ebenfalls nur für das Rote Kreuz eingerichteten „Kinderpavillon“, das Siechenheim und das Zentralbad und wohnte einer Aufführung der Kinderoper Brundibár des im August 1942 ins Ghetto deportierten tschechischen Komponisten Hans Krása bei. Separate Vier-Augen-Gespräche mit Häftlingen fanden nicht statt.

Brundibár

STAGED NAZIFILM

„Brundibár“, Kinderoper von Hans Krása

– Austrian Premiere – Feature (Hintergrundinformation)

ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater, Chor des Gymnasiums Tanzenberg, Brundibár, Aufnahme der Österreichischen Erstauffürung durch den Österreichischen Rundfunk ORF für das Radioprogramm Österreich 1(Ö1) 1995

Gesprochener Text aus dem Video:… Die Kinder von Theresienstadt (Terezien) durften nicht tanzen, singen, lesen oder schreiben lernen. Doch aus diesem Durchgangslager zu den Todesstätten wurde bald ein Vorzeigelager. Den eingesperrten Juden wurde Kultur abverlangt. Freizeitkultur war das propagandistische Schlagwort. Die heimlichen, berührenden, kunstlosen Improvisationen als Überlebensstrategie wurden nun zugelassen, ja verordnet …

Ganz allein kam die damals 14jährige Eva nach Theresienstadt, dort war sie eine der Mitwirkenden in Hans Krásas Kinderoper Brundibár. Eva Hermannová, Operndirektorin Prag: Ich war im Chor, wir haben meistens hinter dem Bretterzaun gestanden auf zwei Stiegen kann ich mich erinnern und die Solisten waren also vor diesem Zaun. Erst am Ende als wir unser Siegeslied gesungen haben, und wir haben und wir haben das wirklich als Siegeslied, in sehr breitem Sinne haben wir das gespürt, also sind wir dann alle auf die Bühne gekommen. … Es war ein Moment, wo man aus diesem grauseligen Alltag herausgekommen ist und ein bisschen Freude an dem Leben gehabt hat.

Die Holocaustüberlebende Rosanna Bresler wurde als junges Mädchen nach Theresienstadt geschickt. Sie berichtet von dem Unterricht und der zionistischen Erziehung, die sie dort erfahren hat.

“ … Wir haben dort Lieder gesungen, wir haben nicht verstanden was wir singen, aber wir haben gesungen. Wir als Kinder durften nicht lernen, das war verboten, trotzdem haben wir am Abend gelernt …“ mehr

Als sechsjähriges Mädchen kam Michaela Lauscherová (späterer Name: Vidláková) 1942 mit ihren Eltern in das Ghetto Theresienstadt, in das „Vorzimmer des Todes“, wie sie selbst diesen Ort des Schreckens nennt.

Ihre Vorträge, Gespräche und Begegnungen mit jungen Menschen sind gelebte Versöhnung. So stiftet sie Freundschaft, sie wirkt als Vermittlerin jüdischer Kultur an deutsche Schülerinnen und Schüler.“ mehr

10.2.2011 Süddeutsche.de: „Scham bedeutet, sich zuständig zu fühlen“ Michaela Vidláková durchlitt das KZ Theresienstadt. Ein Gespräch über die Reaktionen deutscher Schüler auf Holocaust-Opfer und die Vertreibung der Sudetendeutschen. mehr

Bei Ihren Vorträgen zitiert Michaela Vidláková ein Gedicht der Journalistin Gerty Spies aus Theresienstadt:

Was ist des Unschuldigen Schuld –

wo beginnt sie?

Sie beginnt da,

wo er gelassen, mit hängenden Armen

schulterzuckend daneben steht,

den Mantel zuknöpft, die Zigarette

anzündet und spricht:

Da kann man nichts machen.

Seht, da beginnt des Unschuldigen Schuld.

1.2

Brundibár, Kinderoper des Komponisten Hans Krása – Geschichte der Entstehung und Wiederentdeckung

Hans Krása (* 30. November 1899 in Prag; † 17. Oktober 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau, Polen) war ein tschechisch-deutscher Komponist. Am 10. August 1942 wurde Hans Krása ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort wurde Brundibár über 55-mal aufgeführt. Im Film Theresienstadt („Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“) wird auch eine Aufführung von Brundibár gezeigt. Im Lager war Hans Krása mehrere Monate mit Eliška Kleinová verheiratet, um deren Deportation als alleinstehende Frau zu verhindern.

In der Nacht zum 16. Oktober 1944 wurde Hans Krása in einen Eisenbahnwaggon mit Ziel Auschwitz verladen. Dort wurde er als „älterer“ Mann sofort nach der Ankunft in der Gaskammer ermordet.

Die Kinderoper Brundibár hat Hans Krása in Prag 1938 komponiert. Die Oper wurde 1941 im jüdischen Kinderheim in Prag aufgeführt. Nach seiner Deportation nach Theresienstadt hat er sie aus dem Gedächtnis 1943 neu komponiert.

Uni Potsdam: Und vor dem Tod ein Lied Theresienstädter Kinderoper „Brundibár“ erhielt durch Benediktinerin erste deutsche Fassung

Dem aufopferungsvollen Handeln der Benediktinerin Maria Veronika Grüters ist es zu danken, daß jenes Kunstwerk als Raum von Hoffnung und Humanität im Angesicht des allgegenwärtigen Todes nicht in Vergessenheit geriet. … Grüters stieß eher zufällig auf den Stoff. Anlaß dazu bot die Beschäftigung mit der eigenen familiären Vergangenheit. Sie selbst beklagt Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns in Theresienstadt. … Ende der 1970er Jahre faßte die Ordensschwester den Entschluß zu gründlicher Recherche. Langjährige Briefwechsel mit tschechischen und amerikanischen staatlichen Stellen brachten nur bedingt Erfolg. Sie erhielt lediglich eine tschechische und hebräische Vorlage der Oper im Klavierauszug. Danach entstand das nachgereimte Libretto und die Instrumentierung. Originalpartituren fehlten ihr völlig. Dennoch: im Juli ’85 gelang die deutsche Erstaufführung „Brundibár(s)“ in der Aula des Gymnasiums St. Ursula in Freiburg/Breisgau.

1.3

Die Kinderoper Brundibár heute – mit dem Blick zurück nach Theresienstadt, Überlebende

ZEIT ONLINE: Die Nazi-Verklärung von Theresienstadt wirkt bis heute

Zehn der Kinder haben überlebt, wie Dr. Eva Hermannová, Operndirektorin Prag.

Eine Überlebende ist auch Helga Kinsky. Sie spricht über ihre Zeit in Theresienstadt anlässlich einer Lesung in der Solinger Musikschule. (Video)

Auch Anna Flachová hat überlebt. Die Deutsche Welle berichtet über die Aufführung der Kinderoper: 90 deutsche und israelische Kinder und Jugendliche bespielten am 22. und am 23. März die Bühnen im Gewandhaus Leipzig und im Jüdischen Museum Berlin. Anna Flachová war als Zeitzeugin dabei.

Einige Monate später ist der Aufführungsort in Israel, im Dorf Petri Zack bei Netanya mit den selben israelischen und Leipziger Kindern  Bericht von Deutsche Welle TV: Brundibar in Israel (Video)

BRUNDIBAR.dv: ein Beitrag aus Frankreich

weitere, detaillierte Hintergründe (englisch)

Kinder in Theresienstadt: Unter den Häftlingen in Theresienstadt befanden sich etwa 15.000 Kinder, die in sogenannten „Kinderheimen“ nach Geschlechtern und Jahrgängen getrennt untergebracht wurden. Die Häftlingsselbstverwaltung versuchte, besonders für sie zu sorgen. Die Kinder erhielten zulasten der Überlebenschancen der älteren Menschen eine etwas bessere Verpflegung sowie einen geheimen Unterricht von ihren Betreuern (auch madrichim genannt).

Insgesamt überlebten von den Kindern, die ebenfalls von der SS in die Vernichtungslager geschickt wurden, nur etwa 150 das Kriegsende.

Von den Kindern, die in der Kinderoper Brundibár mitgesungen haben, überlebten zehn.

2.

„Die Mädchen von Theresienstadt“, Jugendoper von David Paul Graham, Uraufführung in Bonn 2010

Stiftung kulturserver.de gGmbH, Bericht vom 17.1.2010 über die Uraufführung in Bonn

Jugendoper, Gastspiel und Wiederaufnahme des Auftragswerks des Philharmonischen Chores, Bonn.

Die Jugendoper „Die Mädchen von Theresienstadt“, Schülerprojekt 2010 des Philharmonischen Chores der Stadt Bonn, ist von der Landesvertretung NRW zu einem Gastspiel nach Berlin eingeladen worden.

Kerstin Baldaufs Libretto wurde inspiriert durch Hannelore Brenner-Wonschicks Buch „Die Mädchen von Zimmer 28“ und die darin enthaltenen Tagebuchaufzeichnungen von Helga Pollak. Die Oper wurde am 27. Januar 2011, dem Gedenktag für die Opfer des NS, vom Jugendchor der Ev. Lukaskirche Bonn unter Leitung von Chordirektor Thomas Neuhoff im Europasaal der Landesvertretung NRW in Berlin gespielt. Nach der Bonner Uraufführung Anfang 2010 war die Inszenierung von Kerstin Baldauf bereits in Köln und Aachen gezeigt worden.

Eine Mitwirkende: … „Heute waren die echte Ela und Flaska da und haben uns erzählt, wie das damals war.“ Die Hauptfiguren in der Oper sind Eva (gespielt von Sofia von Freydorf) und Flaska (gespielt von Victoria Graham)

Zeitzeugin Evelina Merova: „… Ich glaube, dass so eine Oper auch ein Denkmal ist.“

(nmz) – „Diese Geschichte eines Kinderheims in Theresienstadt führt an eine Grenze des Erträglichen, dorthin, wo Mitleid, Furcht, Beschämung auf uns lauern“, hatte die Wochenzeitung „Die Zeit“ 2004 über das sich auf dokumentarisches Material berufende Buch „Die Mädchen von Zimmer 28 – Freundschaft, Hoffnung und Überleben in Theresienstadt“ der Berliner Publizistin Hannelore Brenner-Wonschick geschrieben: das geeignete Sujet für eine Oper?

Ein Artikel von Fritz Herzog

Dem persönlichen Kontakt von Thomas Neuhoff, künstlerischer Leiter des Philharmonischen Chors der Stadt Bonn  und des Chors des Bach Vereins Köln , zu zwei mittlerweile 80-jährigen Überlebenden aus dem Mädchenheim L410 des nahe Prag gelegenen nationalsozialistischen „Vorzeige“-Sammel- und Durchgangslagers Theresienstadt ist es zu danken, dass das Musiktheater um ein Werk bereichert wurde, das – frei nach Horaz’ „delectare et prodesse“ – pädagogisch wertvoll und – trotz aller Beklemmung – zugleich auch unterhaltend ist: … mehr

weitere Aufführungen gab es

2012 im Viktoria-Luise-Gymnasium Hameln

2011 Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn

3.1

Verstummte Stimmen, Entstehung des Gedenkens

DIE WELT, 10.07.2012: … Erstmals wurden die Archive durchwühlt

Es gehört zum Allgemeinwissen, dass Richard Wagner Judenfeind war und dass die Bayreuther Festspiele in der Nazizeit zu einer Art Hochaltar Hitlers wurden. Umso seltsamer, dass es bis vor Kurzem keinen Versuch gegeben hat, den Umgang des Grünen Hügels mit jüdischen Sängern, Orchestermusikern und Chormitgliedern systematisch zu erforschen.

Erst jetzt hat der deutsche Historiker Hannes Heer die Lücke geschlossen. Er hat sich erstmals durch die Archive gewühlt, alte Briefe und Besetzungslisten studiert. Was er fand, war eine Mischung aus glühendem Judenhass und intellektuell verbrämter Rassenideologie, lange bevor die NSDAP in Deutschland mehrheitsfähig war. …

3.2

Verstummte Stimmen, Wanderausstellung Hamburg – Berlin – Stuttgart – Darmstadt – Dresden – Bayreuth

Verstummte Stimmen

Die Wanderausstellung „Verstummte Stimmen. Die Vertreibung der ‚Juden‘ aus der Oper 1933 bis 1945″ widmet sich einem kaum untersuchten Kapitel der Nazizeit – der „Säuberung“ der deutschen Opernhäuser. Erstmals wurde die von dem Historiker Hannes Heer, dem Musikjournalisten Jürgen Kesting und dem Gestalter Peter Schmidt realisierte Ausstellung mit Unterstützung der Axel-Springer-Stiftung 2006 in Hamburg gezeigt. …

Rede von Hannes Heer zur Eröffnung der Ausstellung „Verstummte Stimmen“ in Darmstadt am 6. September 2009

Landesarchiv Baden-Württemberg: Verstummte Stimmen – Ausstellung in der Staatsoper Stuttgart und im Haus der Geschichte

Erste umfassende Aufarbeitung der Ludwigsburger Akten über die Geschichte der Künstler am Stuttgarter Theater während der NS-Zeit …

Die Bayreuther Festspiele und die „Juden“ 1876 bis 1945

Unter dem Titel „Verstummte Stimmen. Die Bayreuther Festspiele und die ‚Juden‘ 1876 bis 1945“ wurde am 22. Juli 2012 auf Einladung der Richard-Wagner-Stiftung und der Stadt Bayreuth eine außergewöhnliche Ausstellung im Rathaus der Stadt und auf dem Festspielhügel eröffnet. Sie behandelt drei bisher nie untersuchte Themen: den Missbrauch der Festspiele als Mittel der politischen Mobilisierung, die lange vor 1933 praktizierte Ausgrenzung „jüdischer“ Künstler und die Schicksale derjenigen, die in Bayreuth auftraten und dann zu Opfern des NS-Regime geworden sind. Dieser Teil ist auf dem Festspielhügel noch bis Ende 2013 als Freiluftinstallation zu sehen. Ein anderer Teil der Ausstellung erinnerte bis Oktober 2012 im Rathaus anhand von 44 Biographien und ausgewählten Tonbeispielen an das Schicksal der damaligen Stars der deutschen Opernszene, die wegen ihrer „jüdischen Herkunft“ 1933 vertrieben oder ermordet wurden. …

3.3

Verstummte Stimmen in Ton, Bild, Wort und Namen

Wanderausstellung VERSTUMMTE STIMMEN mit Erinnerungsstelen auf dem Grünen Hügel der Bayreuther Festspiele 2012 und 2013

VERSTUMMTE STIMMEN

SILENCED VOICES

VOIX ÉTOUFFÉES

VOCI AMMUTOLITE

TYSTNADE RÖSTER

VERSMOORDE STEMMEN

UMLčENÉ HLASY

VOCES ENMUDECIDAS

ZAMILKLE GLOSY

EMANUEL LIST

DIE ZAUBERFLÖTE –O ISIS UND OSIRIS-Sarastro

ALEXANDER KIPNIS

Richard Wagner, Die Walküre

Leb wohl, du kühnes herrliches Kind

Wotan

MAX DAWISON

MARIA NEZADAL

Richard Wagner, Das Rheingold

Rheingold, Rheingold

Woglinde

MARIA RANZOW

FRIEDRICH SCHORR

Richard Wagner, Tannhäuser

Lied an den Abendstern

Tannhäuser

ENID SZANTHO

Richard Wagner, Tristan und Isolde

Hörst Du sie noch

Brangäne

FRIEDRICH A. COHEN

KARL ALWIN

KARL ALWIN

HERMANN WUCHERPFENNIG

FESTIVAL BAYREUTH 1936

LOHENGRIN, Richard Wagner /1813 – 1883 /

Kónigsgebet – MEIN HERR und GOTT

solisten- Franz VÓLKER tenor , Jaro PROHASKA – bariton , Josef MASOWARDA – bass

Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Dirigent Heinz TIETJEN

VERSTUMMTE STIMMEN

Albert Kehm, Generalintendant

Alexander Kipnis, Sänger

Arnold Schönberg, Komponist

Bruno Walter, Dirigent

Delia Reinhardt, Sängerin

Elsa Reder, Chormitglied

Emanuel List, Sänger

Emy von Stetten, Sängerin

Eníd Szantho, Sängerin

Erna Both, Chormitglied

Ernestine Färber-Strasser, Sängerin

Ernst Krenek, Sänger

Ernst Waldow, Schauspieler

Eva Heymann, Schauspielerin

Friedrich A. Cohen, Assistenz Choreographie

Friedrich Schorr, Sänger

Fritz Busch, Dirigent

Fritz Rothschild, Korrepetitor

Fritz Wisten, Schauspieler

Gitta Alpár, Sängerin

Harry Stangenberg, Regisseur

Hermann Horner, Sänger

Hermann Wucherpfennig, Sänger

Joseph Schmidt, Sänger

Julius Brauer, Orchestermusiker

Karl Alwin, Musikalische Assistenz

Kurt Weill, Komponist

Leon Aschil, Chormitglied

Lotte Lehmann, Sängerin

Lydia Kindermann, Sängerin

Maria Nezadal, Sängerin

Maria Ranzow (Mary Randa), Sängerin

Max Dawison, Sänger

Max Heinemann, Chormitglied

Minnie Ruske-Leopold, Sängerin

Otto Klemperer, Dirigent

Otto Paul, Verwaltungsdirektor

Paul Hindemith, Komponist

Reinhold Fritz, Sänger

Richard Tauber, Sänger

Rudolf Götz, Korrepetitor

Suse Rosen, Chortänzerin

Vera Schwarz, Sängerin

Viktor Ullmann, Komponist

4.

Chöre in Zeiten des Nationalsozialismus

Vereinigter Männergesangsverein Orpheus, Wetter: Männerchorarbeit während der NS-Zeit

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im jahre 1933 begann auch für die Männerchorbewegung eine Phase strikter staatlicher Reglementierung und Bevormundung. Der Deutsche Sängerbund sollte wie alle Institutionen des öffentlichen, politischen und gesellschaftlichen Lebens gleichgeschaltet, das heißt: der offiziellen Linie und Ideologie der NSDAP angepaßt werden; konkret bedeutete das die Unterstellung unter die Reichsmusikkammer (RMK) und damit direkte Abhängigkeit von Goebbels‘ Propagandaministerium. Aber der DSB bot unerwartet Widerstände, obwohl er bereits vor 1933 nationalsozialistisch unterwandert war. Die neuen Machthaber scheuten zunächst die Durchführung von Zwangsmaßnahmen, denn der Dachorganisation des deutschen Männergesanges gehörten mehr als 27.000 Chöre mit über 750 000 aktiven Mitgliedern an, ein Potential, das keinesfalls verärgert werden durfte. So erhielt der DSB im April 1933 sogar die offizielle Anerkennung als selbständige Institution durch Reichsinnenminister Frick und Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß. Außerdem wurde ihm zugesichert, daß keine eigenen NS Chorverbände gegründet werden durften. Dennoch begann intern eine langsame Anpassung an die politische und ideologische Linie des Systems. Äußere Zeichen dafür waren Personalwechsel und Beherzigung des Führerprinzips innerhalb der Verwaltungshierarchie der Sängerkreise sowie die vermehrte Einstudierung von NS-Feierchören, die dann bei Parteikundgebungen oder ähnlichen Veranstaltungen vorgetragen werden konnten. Im Februar 1934 beging der Vorstand des Deutschen Sängerbundes einen verhängnisvollen Fehler, indem er Alfred Rosenberg, dem damaligen Chefideologen und Reichsleiter der Partei die „Ehrenführerschaft“ antrug. Rosenberg wußte den Machtzuwachs zu schätzen, Goebbels aber empfand diesen Vorgang als Affront und reagierte gereizt mit dem sofortigen Verbot des DSB, das erst wieder aufgehoben wurde, nachdem er sich mit der Gleichschaltung einverstanden erklärt hatte. Das bedeutete aber auch einen erneuten Anstieg der Mitgliederzahlen, da ihm nun alle bislang unorganisierten Vereine beitreten mußten, wollten sie nicht ein Auftrittsverbot oder die Auflösungsverfügung riskieren. Als erstes wurde die Führung des DSB ausgewechselt; an die Stelle von Georg Brauner trat der langjährige Parteigenosse und NSDAP Reichstagsabgeordnete Albert Meister, der einen streng linientreuen Kurs verfolgte und seinen Verband für politischpropagandistische Zwecke ausnutzen ließ. Dem DSB unterstanden nämlich auch deutsche Männerchöre im Ausland, in Osterreich, Polen und anderswo, die auf diese Weise infiltriert werden konnten. Damit waren die ursprüngliche Ziele der Männerchorbewegung endgültig pervertiert. Hatte man sich einst für die Einigung Deutschlands stark gemacht, so ließ man sich nun für die propagandistische Vorbereitung des „Wiederanschlusses“ und von Gebietsannexionen mißbrauchen. Der allgemeine Umschwung läßt sich auch an der neuerdings gepflegten Chorliteratur festmachen. Sogenannte Nationallieder wie „Volk ans Gewehr“, „Die Feier der neuen Front“, „Fackelträgerlied“ und ähnliche in Massen produzierte Stücke über aktuelle Themen und Sentenzen bürgerten sich im Repertoire der Chöre ein. Diese folgten aber nicht immer der verordneten Linie und bewahrten sich ihr traditionelles Liedgut; selbst die Kompositionen Felix Mendelssohn-Bartholdys, der als jüdischer Musiker dem Verdikt der Nationalsozialisten anheim gefallen war, wurden weiter gesungen. Interessant ist auch, daß dort, wo die neuen Stücke diktatorisch vorgeschrieben werden sollten, die Sänger oft die Mitarbeit verweigerten. Fälle solch passiven Widerstandes sind auch in Wetter belegt. Die erfolgreiche Arbeit beider Vereine wird am 25. Oktober 1933, diesmal allerdings zwangsweise, wieder in gemeinsame Bahnen gelenkt. Aus den Berichten der Protokollführer wird ein Unbehagen darüber deutlich, daß es nunmehr in Wetter nur noch einen Gesangverein geben darf, und daß die Vereinsarbeit in allen Bereichen von den politischen Machthabern bestimmt wird. Das Protokoll des „Orpheus“ schließt mit dem Schillerwort: .Das Alte fällt und neues Leben sprießt aus den Ruinen!“. 1938 wollte der Männergesangverein Wetter sein 100jähriges Bestehen feiern, doch verhinderte die Maul- und Klauenseuche alle vorgesehenen Veranstaltungen. Dieses verunglückte Fest war das äußere Zeichen für das Innenleben des Vereins; nach der überwundenen Seuche kamen nur noch 20 Sänger zu den Obungsstunden. Die Männer waren nicht etwa der Seuche zum Opfer gefallen! Ein Bericht aus diesen Jahren gibt ein wenig Einblick in die Situation: „Es machte sich bei den Sängern eine Unlust zu den Liedern bemerkbar; die der Gau Kurhessen zu seinem 100 jährigen Bestehen … herausgegeben hatte. Ein Teil kam aus diesem Grund nicht mehr zu den Übungsstunden“. Vielleicht hatte der Protokollant des „Orpheus“ Schiller in hoffnungsvoll prophetischer Absicht zitiert und schon 1933 mit dem „fallenden Alten“ das NaziRegime gemeint.

Sächsischer Bergsteigerchor Kurt Schlosser Dresden

Den Namen „Kurt Schlosser“ trägt der Chor seit dem 10. September 1949. Der 1900 geborene Kurt Schlosser war selbst Mitglied im VKA. Zur Zeit des Nationalsozialismus wird der Chor verboten, viele Chormitglieder gehen in die Illegalität. Einige Bergsteiger und Chormitglieder organisieren als rote Bergsteiger unter der Leitung von Kurt Schlosser in verschiedenen Dresdner Großbetrieben den antifaschistischen Widerstand.

Die roten Bergsteiger richten sich in der Sächsischen Schweiz eine Felshöhle in der Nähe des Felsens „Satanskopf“ als geheimes Büro und Schlupfwinkel ein.

Nach der Verhaftung am 3. Dezember 1943 wird Kurt Schlosser am 16. August 1944 durch das Fallbeil hingerichtet. Auch andere Bergsteiger und Chormitglieder fallen der NS-Justiz zum Opfer.

Mit dem Niedergang des Nationalsozialismus im Jahre 1945 nimmt der Chor seine Sangestätigkeit wieder auf.

Der Thomanerchor ist ein weltweit bekannter Knabenchor in Leipzig. Er wurde auf Initiative des Markgrafen Dietrich des Bedrängten von Meißen im Jahr 1212 noch unter Kaiser Otto IV. zusammen mit der Thomasschule gegründet.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Thomanerchor 1937 in die Hitlerjugend eingegliedert. Es gelang Straube und seinem Nachfolger Günther Ramin jedoch, nationalsozialistisches Gedankengut so weit wie möglich vom Chor fernzuhalten, und zwar gerade auch aus dem Repertoire des Chores, indem sich vor allem Ramin schon früh nach seinem Amtsantritt 1939 auf das geistliche Programm des Chors spezialisierte. Der 1941 unternommene Versuch, den Thomanerchor im Musischen Gymnasium Leipzig aufgehen zu lassen, scheiterte aus unterschiedlichen Gründen. Gegen Ende des Krieges versuchte Ramin, die zwangsweise Einziehung zur Wehrmacht für die Thomaner so lange wie möglich hinauszuzögern, mit der Begründung, sonst bliebe die Singfähigkeit nicht erhalten. Weiterhin zählt zu den Leistungen dieser beiden Kantoren die starke Neuaufbereitung der Bachpflege, die durch Straube begonnen und von Ramin weitergeführt wurde.

Kirchenchor Dingden: 1935 trat der Chor dem Diözesanverband bei, nachdem er sich bereits 1932 dem Deutschen Sängerbund anschloss. Aus der Verbindung mit dem Sängerbund ergaben sich aber im Laufe der Jahre immer mehr Schwierigkeiten, da sich der Sängerbund in der Zeit des Nationalsozialismus ohne großen Widerstand den politischen Absichten der NSDAP unterordnete. Als Kirchenchöre im NS-Deutschland nicht mehr öffentlich auftreten durften, griffen die Dingdener zu einer List und gründeten formell einen zweiten Chor, den „Gesangverein Dingden“. Kirchenchor und Gesangverein arbeiteten offiziell getrennt voneinander, waren aber faktisch ein Chor. Eine „Doppelgleisigkeit“ war entstanden (= als Kirchenchor dem Diözesanverband verpflichtet, als Gesangverein dem Sängerbund verpflichtet).

So musste der Kirchenchor verschiedentlich bei weltlichen Feiern mitwirken, „die mit der Ehre eines katholischen Christen nicht in Einklang zu bringen waren“ so die Chronik. Als dem Chor dann Anfang 1938 eine Tanzveranstaltung im Anschluss an ein öffentliches Konzert verboten wurde, und der Chor im Januar 1939 bei einer NS-Weihnachtsfeier nicht gesungen hatte, kam es zum Bruch. Der Vorsitzende Franz Freesmann und Dirigent Ferdinand Schmitz wurden von der Partei verhört. Im Zuge der Ermittlungen konnte die jahrelange „Zweigleisigkeit“ des Chores nicht länger geheim gehalten werden. Der Vorsitzende wurde gezwungen, sein Amt niederzulegen. Schmitz verzog aus Dingden.

Berliner Mozart-Chor: Der Chor zur Zeit des Nationalsozialismus

Um einer Auflösung in der Zeit des Nationalsozialismus zu entgehen, wurde der Chor 1937 der Hitler-Jugend angegliedert und die Jugendlichen leisteten durch die Proben und Konzerte ihren vorgeschriebenen „Dienst“ ab. 1938 lautete die offizielle Bezeichnung des Chores „Berliner Mozart-Chor der Berliner Hitler-Jugend“.

Die Reise- und Konzerttätigkeit und die Freude, die der Chor den Zuhörern bereitete, blieben indes ungebrochen. Hinzu kamen nun zahlreiche Rundfunkaufnahmen. Um den Luftangriffen auf Berlin zu entgehen, Schulbesuch und Probenarbeit aber weiterhin zu gewährleisten, wurde der Berliner Mozart-Chor 1943 nach Küstrin evakuiert, von wo aus im Januar 1945 die Flucht gelang.

Der Neubeginn: Ein Neuanfang im Juni desselben Jahres wurde durch die Internierung Erich Steffens in Sachsenhausen aufgrund seiner „Chorleiter“-tätigkeit, die von den Alliierten als „Korpsleiter“ fehlinterpretiert wurde, verhindert. Einige in Berlin verbliebene Chormitglieder formierten sich inzwischen als städtischer „Jugendchor der Stadt Berlin“ im Bezirk Mitte neu. Den politischen Zwängen dieser Zeit folgend, wurde durch die Spaltung 1948 auch der Chor auseinandergerissen.

1950 kam Erich Steffen frei. In Berlin-Wilmersdorf baute er sogleich den Berliner Mozart-Chor mit zahlreichen Ehemaligen als gemischten Chor wieder auf. Herausragend unter den zahlreichen Auftritten der fünfziger Jahre waren die Serenadenkonzerte im Jagdschloß Grunewald, in denen der ehemalige Mozartianer Hermann Prey erstmals als Baritonsolist mitwirkte.

Gemischter Chore „CÄCILA“ Lutten: 1939 wurden, unter dem Druck der Nationalsozialisten, die beiden Lutter Männerchöre zwangsvereinigt. Es gab zwei Dirigenten, einen für den weltlichen, einen für den kirchlichen Bereich!

Liedertafel Concordia von 1872 Hannover-Badenstedt e.V.: 1933

Der 7. September brachte einen gravierenden Wechsel für die beiden Badenstedter Gesangsvereine. Im Zuge der Gleichschaltung während des Nationalsozialismus musste ein Zusammenschluss vollzogen werden, wobei keiner der beiden Vorsitzenden den neuen Vorsitz inne haben durfte. Erzwungene Änderungen der Vereinsstatuten und der Vereinssatzung am 15. Februar 1934 entsprachen nun dem “Neuen Geist” und ein neuer Name musste gefunden werden. Man einigte sich auf den noch heute gültigen Namen “Liedertafel Concordia von 1872 Hannover-Badenstedt”. Die Vereinsleitung lag ab 1934 bei Heinrich Biermann und Chormeister Herbert Heinzmann. Die Beanspruchung der Sänger durch Beruf und nationalsozialistische Organisationen führte jedoch zu einer rückläufigen Teilnahme an den Singabenden.

„Die Mädchen von Theresienstadt“, Jugendoper von David Paul Graham, 2011